In der Ballspielhalle der Prager Burg, unter einer Decke im Renaissance-Stil, zitiert Zhang Jianmin, der in der Tschechischen Republik frisch eingetroffene chinesische Botschafter, seinen Präsidenten Xi Jinping: "In einigen außergewöhnlichen Jahren gibt die Geschichte den Menschen immer die Gelegenheit, Weisheit und Kraft zu erlangen, um vorwärts zu marschieren", sagte er.

Gleichzeitig erklärte er 2018 zu "genau so einem Jahr". Vor vier Jahrzehnten begann China mit seiner Wirtschaftsreform. Vor fünf Jahren startete das Land die "Gürtel- und Straße"-Initiative (Belt and Road Initiative, kurz BRI), um die eurasischen Wirtschaftssysteme zusammenzuschweißen. Es ist somit ein guter Zeitpunkt für China, seine Kooperation mit den Gastgeberländern voranzutreiben.

Die Konferenz wurde als Bildungsveranstaltung für chinesische Investoren angekündigt. Mitorganisiert wurde das Seminar von dem Prager Institut der Neuen Seidenstraße. Die "grundlegende Mission" für diese Denkfabrik ist es, "den Bekanntheitsgrad des Konzeptes für die Neue Seidenstraße in der Tschechischen Republik und anderen europäischen Ländern zu steigern".

China will Politik und Handel verschmelzen

Geleitet wird die Organisation von dem ehemaligen tschechischen Außenminister und Berater des tschechischen Präsidenten, Jan Kohout. Er nutzte die Veranstaltung, um die zum Verkauf stehenden Kapitalanlagen seines Landes anzupreisen. In dem größtenteils chinesischen Publikum saßen auch einflussreiche Tschechen, darunter ein ehemaliger Premierminister und ein früherer Wirtschaftsminister. Das Bild, das sich darbot, war eine Essenz dessen, was Chinas wachsende Präsenz in der Tschechischen Republik ausmacht: die Verschmelzung von Politik und Handel.

Und genauso geschieht es im übrigen Europa. Laut dem amerikanischen Forschungsunternehmen "Rhodium Group", investierten die Chinesen im Jahr 2016 fast 36 Milliarden Euro in Länder der Europäischen Union. Im Jahr zuvor waren es rund 20 Milliarden Euro. Viele der Investitionen wurden staatlich gefördert. Das spricht dafür, dass die kommunistischen Parteien Europa davon abhalten wollen, Amerika dabei zu helfen, Chinas Aufschwung einzudämmen. Hier den Politik-Newsletter abonnieren

Berichte, Videos, Hintergründe: FOCUS Online versorgt Sie täglich mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Politik-Ressort. Hier können Sie den Newsletter ganz einfach und kostenlos abonnieren.

Europäische Staatschefs sehen Investitionen aus China vermehrt mit Sorge

Vor diesem Boomjahr hatten die europäischen Machthaber – besonders in Deutschland – Investitionen aus China weitgehend begrüßt, ohne sich viele Gedanken darüber zu machen. Aber der enorme Geldfluss, der ins Land kam, veranlasste die Staats- und Regierungschefs aus Berlin, Brüssel und andernorts, die Machtzunahme und die Einflusssteigerung Chinas mit Sorge zu betrachten. Besonders in den kleineren Ländern der EU.

Seitdem werden Investitionen aus China von der Europäischen Union schärfer geprüft. Darüber hinaus versucht die EU eine einheitlichere, europäische Vorgehensweise zu entwickeln. Dennoch können die Bemühungen kaum mit der Geschwindigkeit schritt halten, in der das Geld in die Länder fließt. Die Investitionen aus dem Ausland sanken zwar im vergangenen Jahr auf 30 Milliarden Euro. Das ist auf den globalen Rückgang von ausländischen Direktinvestitionen (ADI) in China zurückzuführen. Dennoch ist der europäische Anteil daran gewachsen. Von einem Fünftel auf ein Viertel.

Wenige Details zu den Investoren

Wie bei so vielen Dingen, die China betreffen, sind auch hier Details Mangelware. Aber einige Fakten sind klar belegbar. Die chinesischen Akteure, die Geld in Europa investieren, sind meist staatlich geförderte Unternehmen und Investmentfonds. Laut einer Marktanalyse von Bloomberg waren sie in den vergangenen zehn Jahren für 63 Prozent der Wertschöpfung durch Transaktionen verantwortlich. Ihr besonderer Fokus lag auf den Bereichen Energie, Chemie und der Infrastruktur. dpa/CHINATOPIX/AP Containerschiff in China: Das Weiße Haus hat angekündigt, eine Liste mit chinesischen Waren im Umfang von 50 Milliarden Dollar (43 Milliarden Euro) vorlegen zu wollen, auf die Zölle von 25 Prozent erhoben werden sollen.

Chinesischen Organisationen gehört mittlerweile der größte Teil des großen Schweizer Pestizidproduzenten "Syngenta" – möglicherweise besitzen sie ihn auch ganz. Sie besitzen den größten Hafen Griechenlands in Piräus und das britische Kernkraftwerk "Hinkley Point C". Chinesen halten einen beträchtlichen Anteil an Flughäfen wie London Heathrow, Frankfurt Hahn und Toulouse. Ebenso an der "PSA Group", dem Hersteller von Peugeot- und Citroën-Autos und an dem italienischen Reifenhersteller "Pirelli".

Die Straße zum Reichtum

Die Investition wird von den regionalen Trends geprägt. In Osteuropa liegt der Fokus auf der Infrastruktur, die die Verbindung zwischen dem alten Kontinent und den BRI-Projekten weiter östlich festigen kann. In Südeuropa beteiligten sich die chinesischen Käufer – während und nach der Krise in der Eurozone – an der Privatisierungswelle. In Portugal erwarben sie Anteile an Häfen, Fluglinien, Hotels und schnappten sich einen Großteil von "Energias de Portugal", dem wichtigsten Stromanbieter des Landes. Während der Krise hatte China in Griechenland wertvolles Kapital bereitgestellt.

Die größten Bargeldbeträge aus China flossen nach Westeuropa. Der Geldfluss nach  Großbritannien nahm zu, nachdem der damalige Finanzministers, George Osborne, einen Vorstoß gewagt hatte, um sein Land zu Chinas "bestem Partner im Westen" zu machen. Selbst Frankreich, das ausländischen Investitionen lange Zeit skeptisch gegenüberstand, musste zusehen, wie sich chinesische Käufer die Weinberge in Bordeaux sicherten.

In Deutschland liegt Chinas Fokus auf den Hightech-Firmen. Sie haben das Spezialwissen, dass Xi für seine "Made in China 2025"-Strategie benötigt, um sein Land industriell und technologisch unabhängiger zu machen. Die deutschen Behörden waren beunruhigt, als 10 Prozent von Daimler, dem Eigentümer von Mercedes-Benz, im Februar veräußert wurden. Dass die chinesischen Medien den Deal als Triumph für die heimische Industrie darstellten, war keine Hilfe. Eine weitere große Sorge der Deutschen ist, dass chinesische Firmen kleine, spezialisierte, mittelständische Unternehmen verschlingen, deren Gründer zu alt sind, um das Geschäft weiterzumachen und die keine Erben haben, die das Familienunternehmen leiten wollen. Sie sind ein Eckpfeiler des industriellen Erfolgs in Deutschland.

Europa ist für China ein Mittel zum Erreichen der eigenen Ziele

Was will China letztendlich? Es wäre ein Fehler, hinter den einzelnen Aktionen eine größere Strategie zu vermuten. China ist nicht wie Russland daran interessiert, den Zusammenbruch der EU herbeizuführen. Ganz im Gegenteil: China hat den eigenen Vorteil im Auge, wenn es sieht, dass Europa aufgeschlossen und vermögend ist. Es ist wahr, dass China sich früher gefragt hat, ob Europa ihnen ein Partner in einer multipolaren Welt sein kann.

Mit Freude beobachtete das Land, wie sich Deutschland und Frankreich der amerikanischen Invasion im Irak 2003 widersetzten und wie dieser Widerstand die Verbundenheit unter den westlichen Staaten zerfraß. China strebte danach, vom europäischen Kapitalismus zu lernen. Insbesondere vom sozialen Marktwirtschaftsmodell der nördlichen Länder. Aber die Begeisterung dafür, Europa als gleichwertig zu betrachten, war nicht von Dauer. Chinesische Anführer genießen es heute, die Botschafter und die europäischen Machthaber, die in ihr Land kommen, über die Misserfolge des Westens zu belehren.

Für einige Europäer ist es so, als würde China vierdimensionales Schach spielen, wenn es ihren Kontinent spaltet und erobert. Aber die meisten europäischen Vertreter in Peking sind der Meinung, dass die Realität nicht so dramatisch, sondern eher opportunistisch ist. Außenpolitisch verfolgt China, wie in allen Belangen, im Wesentlichen die eigenen Interessen. Europa ist ein Mittel zum Zweck.

Europa als Partner für China? Das war einmal

Chinas oberstes Ziel ist es, eine fortschrittliche, moderne Supermacht zu werden, der andere Länder nicht zu widersprechen wagen. Und dieses Ziel verlieren die Machthaber niemals aus den Augen. Chinas Vorstellung von Europa ist die einer wohlhabenden, innovativen Region, die dazu beitragen könnte, dieses Ziel zu erreichen. Im Gegensatz dazu sind sie besessen von dem Gedanken, dass Amerika ein alternder, rachsüchtiger Fürst ist, der sie davon abhalten will, die eigenen Ziele zu erreichen.

Auch wenn sie Europa einst als potenziellen Partner und in machen Bereichen sogar als Vorbild betrachtet haben, so begegnen sie der EU jetzt mit weniger Respekt. China betrachtet Europa wie eine Art Supermarkt, der ihnen die Möglichkeit bietet, weiter zu wachsen, die Gegner der chinesischen Außenpolitik zu neutralisieren und den Westen davon abzuhalten, sich geschlossen gegen sie zu stellen.

Beispiel Tschechien: China sichert sich durch Investitionen massiven Einfluss

Wie dieser Vorgang in der Praxis umgesetzt wird, sieht man an der Tschechischen Republik. Betrachten wir "CEFC China Energy", einen gut vernetzten privaten (mittlerweile staatlich geförderten) Energieriesen mit Verbindungen zum militärischen Geheimdienst Chinas. Das Unternehmen kam 2015 nach Prag, öffnete sein Scheckheft und ging auf Einkaufstour. Die Firma kaufte sich Anteile an dem großen Finanzkonzern "J&T", an der größten Fluggesellschaft des Landes, "Travel Service", am Medienkonglomerat "Empresa" und sogar an "SK Slavia Prag", dem zweiten Fußballteam der Hauptstadt. Obendrauf kam noch das Stadion.

CEFC heuerte verschiedene, einflussreiche Tschechen an: der ehemalige Verteidigungsminister, Jaroslav Tvrdik, wurde zum stellvertretenden Vorsitzenden der Europageschäfte ernannt. Stefan Fule, ehemals ein europäischer Kommissar, trat dem Aufsichtsrat bei. Jakub Kulhanek, einst stellvertretender Außenminister, wurde als Berater engagiert.

Fast im Handumdrehen gewann China an Einfluss. Der tschechische Präsident, Milos Zeman, ernannte den Vorsitzenden von CEFC, Ye Jianming, nur wenige Monate nach der Ankunft des Unternehmens zu seinem Berater. (aus unerfindlichen Gründen wurde er Anfang des Jahres in China inhaftiert.) Zeman ist ein unberechenbarer Charakter, der die diktatorische Art von Xi scheinbar aufrichtig bewundert. dpa/Petr David Josek/AP Der tschechische Präsident Milos Zeman bestätigte, dass sein Land im vergangenen Jahr das hochgefährliche Nervengift Nowitschok hergestellt habe.

Tschechien als "Flugzeugträger für die Expansion chinesischer Investitionen"

Er sagt, dass ein europäischer Diplomat in Peking hoffe, sein Land werde zum "unsinkbaren Flugzeugträger für die Expansion chinesischer Investitionen" in Europa. "TV Barrandov", ein Fernsehsender, der "Empresa" gehört, strahlt wöchentlich ein Interview mit dem Präsidenten aus. Geleitet wird das Interview vom Geschäftsführer des Senders, Jaromir Soukup. Der Präsident stellt dabei häufig seine pro-chinesischen Ansichten zur Schau.

Das zahlt sich durch diplomatische Dividenden wieder aus. Das langjährige Engagement der Tschechischen Republik für die Menschenrechte ist zurückzuführen auf den Aufstand von 1968 gegen die Sowjetunion und auf die Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Vaclav Havels in den 1990er Jahren. Das Land war europaweit der schärfste Kritiker der Menschenrechtsverletzungen in China. Doch diese Zeiten sind vorbei.

Keine Kritik mehr aus Prag an chinesischen Menschenrechtsverletzungen

Als Xi 2016 nach Prag kam, um die chinesisch-tschechischen Beziehungen zu einer "strategischen Partnerschaft" auszubauen, ging die Polizei hart gegen die Pro-Tibet-Demonstranten vor. Im selben Jahr besuchte der Dalai Lama, der einst herzlich willkommen war in Prag, mehrere hochrangige Persönlichkeiten des Landes. Darunter auch den Premierminister. Sie distanzierten sich danach von seinem Besuch. Und als der Europäische Rat im gleichen Jahr versuchte, eine gemeinsame Regelung für die Überprüfung von Investitionen zu finden, war die Tschechische Republik eines der Länder, die sich für eine abgespeckte Lösung aussprachen.

Der Einfluss Chinas ist grundsätzlich stärker, je weiter man nach Osten und Süden kommt. Ungarn und Griechenland verhinderten 2016, dass die EU – wie Amerika und Australien – die Entscheidung des Ständigen Schiedsgerichtshofs zu den Seegrenzen im Südchinesischen Meer unterstützt. Der Gerichtshof hatte zugunsten der Philippinen und gegen China entschieden. In der Begründung der EU wurde die chinesische Regierung nicht einmal erwähnt. "Es war beschämend", gesteht ein europäischer Diplomat aus Peking. Im vergangenen Jahr gab die EU zum ersten Mal beim UN-Menschenrechtsrat keine eigene Erklärung ab. Wegen der "destruktiven Kritik an China" hatte sich Griechenland dagegen gewehrt und die Stellungnahme verhindert.

China will bilaterale Abkommen – und damit seine Stärke ausspielen

Diese Beispiele beleuchten einen wichtigen Aspekt, wenn es um Chinas Geschäftsbeziehungen zu Europa geht: Bilateralismus. China bevorzugt es, mit den Ländern einzeln zu verhandeln, weil es dann seine Größenvorteile ausspielen kann. Der jährliche "16+1"-Gipfel Chinas, an dem mittel- und osteuropäische Länder teilnehmen, ist in Wirklichkeit ein "16-eins-gegen-eins"-Gipfel. Jede Regierung verhandelt mit China unter eigenen Bedingungen.

Einige dieser Staaten haben das Gefühl, die westeuropäischen Länder würden sie unterschätzen oder nicht respektieren. Deshalb erscheint China als Lösung immer attraktiver: "Mitteleuropa hat in Sachen Infrastruktur gravierende Probleme zu bewältigen", erzählte Ungarns autokratischer Ministerpräsident, Viktor Orban, deutschen Unternehmensleitern im Januar. "Wenn die EU keine finanzielle Unterstützung bieten kann, werden wir uns China zuwenden."

Besuche in China sind für kleinere Länder weniger erniedrigend als in den USA

China ist geschickt darin, nach Protokoll vorzugehen, um großherzig zu erscheinen. Es ist sich nicht zu schade dafür, auch für kleine Länder den roten Teppich auszurollen und ihnen Treffen mit den Ministern zu verschaffen, die eigentlich nur den größeren Staaten vorbehalten sind. Die Treffen laufen zwar immer nach einem Muster ab und die chinesischen Minister lesen nur vom Skript ab. Trotzdem sei ein Besuch in Peking, zumindest formell, weniger erniedrigend als in Washington. Dort müssten kleinere Länder enorme Anstrengungen unternehmen, um ein Treffen zu bekommen. Sie müssten sich schon mit Kongressabgeordneten anfreunden, die angestammte Beziehungen im Land haben oder den Anspruch, sich welche aufzubauen.

In China kämen selbst kleine Länder in den Genuss, Spitzenpolitiker zu treffen, sagt Islands Botschafter Gunnar Snorri Gunnarsson. "Sie sind eine realitätsnahe Weltmacht. Deshalb kennen sie den Unterschied zwischen großen und kleinen Ländern. Aber theoretisch und prinzipiell sagen sie, dass sie kleinere Länder respektieren wollen", sagt er. Ergänzend merkt er an: "Von Chinas Warte aus sind alle Länder klein." AP Der einstige britische Premier David Cameron.

Ex-Politiker sichern China den Zugang zur europäischen Elite

Ihr Einfluss auf größere, europäische Wirtschaftssysteme ist nicht so eklatant. Aber er existiert. Besonders in Italien werde er immer größer, sagt Mikko Huotari von der Denkfabrik "Mercator Institute for China Studies". Währenddessen sichern sich chinesische Firmen und Stiftungen den Zugang zur europäischen Elite, indem sie Leute einstellen wie den ehemaligen britischen Premierminister David Cameron (der einen Investmentfond berät), den einstigen Premierminister Frankreichs, Jean-Pierre Raffarin (der Direktor einer Produktionsfirma ist), und den ehemaligen deutschen Vizekanzler Philipp Rösler (der Chef einer wohltätigen Abteilung eines großen, chinesischen Mischkonzerns ist). dpa/Silas Stein Ex-Spitzenpolitiker Philipp Rösler

Eine der größten Schwächen Europas ist seine Naivität. Lange Zeit waren Amerika und Australien wesentlich robuster als die Europäer, die immer noch glaubten, dass China sich öffne und liberaler werde, wenn es erst einmal in den Westen integriert sei. Die Deutschen nannten es "Wandel durch Handel". Bis sie erkannten, dass der entsprechende Wandel China zu einem Konkurrenten machen würde und das der Handel keine Garantie für eine Zusammenarbeit mit China sei.

China lotet seine Grenzen aus, indem es immer wieder austestet, bis zu welchem Punkt Europa nachgibt. Kürzlich hat das Land versucht, einen britischen Parlamentsabgeordneten, der sich für Taiwan ausgesprochen hat, von einer Chinareise des Parlamentskomitees auszuschließen. China erhielt von Daimler eine Entschuldigung, weil das Unternehmen in einer Instagram-Werbung den Dalai Lama zitiert hatte.

Geld aus China birgt Risiken – regelmäßig platzen Deals

Diese leichte Demütigung birgt aber nicht die einzige Gefahr, die von den chinesischen Geldgebern in Europa ausgeht. Eine weitere Gefahr ist, dass sie mit den Investitionen ein politisches Ziel verfolgen. Daher sind sie unseriös und führen häufig nicht zum Erfolg. Die jüngsten Debakel – zusammen mit der anhaltenden Abneigung Chinas, seine Märkte für europäische Investoren zu öffnen – haben die Regierungen Europas immer skeptischer werden lassen, wenn es um die ganzen Geldströme geht, die in die EU fließen.

Die CEFC brach beinahe zusammen, als ihr Chef verhaftet und inhaftiert wurde. Sie konnte nur gerettet werden, weil die CITIC, eine staatliche Investitionsgesellschaft Chinas, ihr zur Seite sprang. Der Bau einer Eisenbahnstrecke zwischen Budapest und Belgrad geriet ins Stocken (die Linie wird einige wichtige Industriestädte in Ungarn nicht anfahren). Eine mit chinesischem Geld finanzierte Autobahn, die von Warschau bis zur deutschen Grenze gehen sollte, wurde nie fertiggestellt. Das versprochene Geld, dass für Neuerungen in Liverpool vorgesehen war, kam nie an.

Skepsis breitet sich aus – Richtlinien sollen verschärft werden

Es ist bemerkenswert, dass auch Volkswirtschaften, die China traditionell wohlgesonnen waren, jetzt skeptisch sind. Großbritannien verlässt die EU und ist verzweifelt auf der Suche nach Investoren und Handelsabkommen. Doch obwohl sie empfänglicher als ihre Nachbarn für die Wünsche der Chinesen sind, haben auch die Briten ihre Richtlinien verschärft. Auf dem letzten "16+1"-Gipfel haben die mittel- und osteuropäischen Länder die Leistungsfähigkeit der chinesischen Investitionen in ihren Ländern infrage gestellt. Angeführt wurden sie von einem Polen, das es satt hat, herumkommandiert zu werden.

Deutschland hat seine landesweiten Gesetze zur Überprüfung von Investitionen verschärft und verabschiedet.  Zusammen mit Frankreich haben die Deutschen die EU dazu aufgefordert, einen gemeinsamen Rahmen zu schaffen, um das Gleiche auf europäischer Ebene umsetzen zu können. dpa/Monika Skolimowska Die Deutschen sind mit der EU mehrheitlich zufrieden.

Die daraus resultierende Gesetzgebung sollte es noch schaffen, vor den Wahlen des Europäischen Parlaments im nächsten Jahr, Einzug in die Gesetzbücher zu halten. Obwohl die Landesregierungen letztlich weiterhin die Kontrolle über die Überprüfungen haben, zielt das Gesetz darauf ab, das Informationen innerhalb der Mitgliedsstaaten ausgetauscht werden können und ein gewisser Standard eingehalten wird. "Überraschenderweise herrschte Konsens zu dem Vorschlag", sagt ein europäischer Amtsträger. "Vor ein paar Jahren wäre so eine Verfügung undenkbar gewesen", fügt ein anderer hinzu.

Umdenken: Staaten agieren mehr auf europäischer Ebene

Ein entscheidender Grund für das Umdenken vieler Staaten ist, dass sie mehr auf europäischer Ebene agieren wollen. Die EU hat 2016 eine neue Strategie für den Umgang mit China verabschiedet. Die Vorstellung ist, dass die Mitgliedsstaaten stärker miteinander kooperieren. Europa arbeitet enger mit den "16+1"-Staaten zusammen, um gemeinsame Positionen zu erarbeiten.

In seiner Ansprache zur Lage der Union gab der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, im September zu, dass "es falsch war, dass Europa sich selbst zum Schweigen gebracht hat, als es beim United Nations Human Rights Council darum ging, die Menschenrechtsverletzungen Chinas anzuprangern. Und das nur, weil sich ein Land dagegen ausgesprochen hat. Ich könnte noch viele andere Beispiele nennen. Aber ich belasse es bei diesem einen." Er schlägt vor, bei bestimmten, außenpolitischen Themen, einschließlich der Menschenrechte, das Abstimmungsverfahren zu ändern. Es bräuchte dann kein einstimmiges Ergebnis mehr, sondern eine qualifizierte Mehrheit. Es wird schwierig sein, so eine Änderung durchzubringen, wenn Mitgliedsstaaten wie die Tschechische Republik und Griechenland dagegen sind. Aber die Richtung ist eindeutig: Europa wird umsichtiger.

Konkurrenzfähigkeit als stärkste Antwort auf Chinas Vorgehen

Es gibt aber noch mehr zu tun. "Warum betrachten wir staatliche Unterstützung als etwas, was nur aus der EU kommt und nicht aus China?" fragt ein europäischer Amtsträger. Huotari aus der Denkfabrik plädiert für strengere Kontrollen, wenn chinesische Unternehmen staatlich subventionierte Käufe von Wirtschaftsgütern tätigten. Und er spricht sich aus für härtere Regeln bei der Buchführung. Für Thorsten Benner von der Denkfabrik "Global Public Policy Institute" in Berlin geht es um etwas Grundlegenderes: "Wir Europäer dürfen nicht so defensiv sein. Die stärkste Antwort, mit der wir China begegnen können, ist, dass wir konkurrenzfähiger werden und unser eigenes Modell entwickeln: Offenheit."

Das ist die Herausforderung für Europa. Die Länder und Institutionen der EU zählen zu den zugänglichsten der ganzen Welt. Prag hat sich gegen die sowjetische Unterdrückung zur Wehr gesetzt und ist damit ein Symbol der Offenheit. Aber die Stadt ist auch ein Beispiel dafür, wie China andere Städte und Länder ausnutzt, um seine eigenen Interessen zu verfolgen. Um mitzuhalten, muss Europa seine Offenheit bewahren. Es muss sich aber auch wehren und gegebenenfalls Mächte, die von Außen ihre Offenheit ausnutzen wollen, ausschließen. Es wäre töricht von Europa, die Worte des chinesischen Präsidenten in diesem besonderen Jahr nicht zu beherzigen. Die EU muss die Gelegenheit nutzen, um "Weisheit und Kraft zu erlangen, um vorwärts zu marschieren".

Dieser Artikel erschien zuerst beim Economist und wurde von Patrick Steinke aus dem Englischen übersetzt.

Im FOCUS Online/Wochit Eigentum wird verbrannt, Gefängnis droht: So macht Orban seine Obdachlosen zu Verbrechern

*Der Beitrag “Wie sich China klammheimlich Einfluss in Europa sichert” stammt von The Economist. Es gibt keine redaktionelle Prüfung durch FOCUS Online. Kontakt zum Verantwortlichen hier.

LEAVE A REPLY

Please enter your comment!
Please enter your name here

  −  1  =  2